Masernstatistik: Offener Brief an meinen obersten Seuchenschützer vom RKI
Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Wieler,
seit 1. März 2015 sind Sie der neue Präsident des RKI und damit sozusagen unser "oberster Seuchenschützer". Da Sie also gerade erst Ihr Amt angetreten haben, kann man Ihnen die Fehler und Versäumnisse Ihres Vorgängers (noch) nicht zur Last legen. Damit das auch so bleibt, möchte ich Sie hiermit darauf hinweisen, dass Ihre Behörde in Bezug auf Masern leider den Bereich der wissenschaftlichen Nachvollziehbarkeit verlassen hat.
Vor kurzem haben Ihre Mitarbeiter die Sterberate im Zusammenhang mit Masern auf der RKI-Webseite von 1:10.000 auf 1:1000 korrigiert. Leider hat man vergessen, für diese Verzehnfachung der Sterberate ordentliche Quellen anzugeben. Sicherlich haben sich Ihre Mitarbeiter ja etwas dabei gedacht und nicht einfach gewürfelt - das hoffe ich zumindest. Es wäre schön, wenn Sie entweder die Zahl wieder korrigieren lassen würden - vielleicht hat man ja einfach nur aus Versehen eine Null zuviel gelöscht - oder aber, wie in wissenschaftlichen Kreisen üblich, eine ordentliche Quelle nachreichen.
Bei der Berechnung der Sterberate im Zusammenhang mit Masern dürfen Ihre zuständigen Mitarbeiter übrigens nicht nur die offiziell gemeldeten Masernfälle berücksichtigen, sondern auch den Anteil der nicht gemeldeten Fälle, bei denen die Eltern mit ihren erkrankten Kindern gar nicht zum Arzt gegangen sind oder die Masern nicht als solche erkannt wurden. Laut Ihrer eigenen Behörde macht der Anteil der nicht gemeldeten Masernfälle mindestens die Hälfte der tatsächlichen Fälle aus.
Zudem müssen auch jene Fälle mitgezählt werden, die völlig ohne Symptome verlaufen sind, die sogenannten "stillen Feiungen". Laut Auswertung der KiGGS-Daten hatten 18 Prozent der Ungeimpften ohne Masernhistorie einen als ausreichend angesehen Maserntiter. [1] Wie Ihnen als gelernter Mikrobiologe sicherlich bekannt ist, streuen auch subklinisch verlaufende Masernfälle das Virus und machen aus Sicht der Lehrmeinung ein Leben lang immun. Epidemiologisch müssen sie also mitgezählt werden!
Ich bitte Sie auch, Ihre Mitarbeiter dazu zu ermuntern, über den deutschen Tellerrand etwas hinauszuschauen und sich einmal die europäischen Melde- und Todesfallzahlen anzuschauen. Da kommen wir nämlich auf eine Sterberate von 1:2.400. Berücksichtigen wir, dass mehr als die Hälfte dieser Todesfälle unter den Roma in Bulgarien und Rumänien auftraten, deren Lebensbedingungen sicherlich nicht repräsentativ für die EU sind, dann wären wir bei fast 1:5.000, plus den nicht gemeldeten Fällen ergibt das eine Rate von 1:10.000 oder mehr. Dazu kommen noch die subklinisch verlaufenen Fälle. Sie sehen, die tatsächliche Sterberate könnte auch bei 1:20.000 liegen statt bei 1:1.000!
Die auf der RKI-Webseite angegebene Sterberate von 1:1.000 ist entweder ein Versehen oder aber der Versuch, in der Bevölkerung Angst zu schüren. In beiden Fällen muss das umgehend korrigiert werden.
Vielen Dank im Voraus für Ihre Bemühungen
Ihr
Hans U. P. Tolzin
Herausgeber der Zeitschrift impf-report
Initiator des Netzwerk für unabhängige Impfentscheidung (NEFUNI)
Mitinitiator der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für unabhängige Impfaufklärung (DAGIA)
Vorsitzender des gemeinnützigen Vereins Arbeitsgemeinschaft Bürgerrecht & Gesundheit (AGBUG)
[1] Poethko-Müller, C., Mankertz, A., Sero-epidemiology of measles-specific IgG antibodies and predictive factors for low or missing titres in a German population-based cross-sectional study in children and adolescents (KiGGS) (2011) Vaccine, 29 (45), pp. 7949-7959.