Sind Schuluntersuchungen in Deutschland Pflicht?
Letzte Aktualisierung: 26. April 2010
Frage:
Sehr geehrter Herr Tolzin,
unser Sohn (10. Klasse Gymnasium in Brandenburg) brachte ein Schulschreiben vom Gesundheitsamt mit nach Hause, worin er aufgefordert wird, an einer Schuluntersuchung nach § 6 des Brandenburgischen Gesundheitsdienstgesetzes teilzunehmen.
Ein mit Morgenurin gefülltes Urinröhrchen, ein ausgefüllter Impffragebogen und das Impfbuch sind mitzubringen. Es besteht das Angebot, an Ort und Stelle "nachgeimpft" zu werden. :-((
Dabei ist auch ein Erhebungsbogen, der gesundheitliche Angaben bis zu den Geschwister und Eltern einfordert.
Können Sie mir sagen, welche Handhabe wir gegen diese immer wiederkehrenden Untersuchungen haben, die über die Schulen und Kindergärten immer öfter bei uns "aufschlagen"?
Die Kinder sind bei Ärzten UNSERES Vertrauens in Behandlung und uns widerstreben diese über die Kindergärten und Schulen erzwungenen Untersuchungen inzwischen sehr.
Die Erhebungsbögen sind nicht anonymisiert und wir sehen Probleme hinsichtlich eines späteren evtl. Versicherungsabschlusses bzw. eines späteren Arbeitsvertrages. (...)
Antwort:
Wir leben in einem Rechtsstaat, auch wenn dies - insbesondere in den neuen Bundesländern - bei manchen Behörden noch nicht ganz angekommen zu sein scheint. Entscheidend ist nicht das, was eine Behörde gerne von uns möchte, sondern das, was im Gesetz steht. Es gilt hierbei, strickt zwischen einer behördlichen Bitte und einer behördlichen Anordnung zu unterscheiden:
Eine behördliche Anordnung muss so formuliert sein, dass der Pflichtcharakter eindeutig daraus hervorgeht. Hier ist einmal die Benennung der gesetzlichen Grundlage und zum anderen eine Rechtsbehelfsbelehrung mit Nennung der für einen Widerspruch zuständigen Stelle notwendig.
Meines Wissens ist in Deutschland nur die Schuleingangsuntersuchung Pflicht. Die Handhabung kann sich jedoch von Bundesland zu Bundesland unterscheiden. Hier gilt es also, sich die gesetzlichen Regelungen genau anzusehen.
Laut dem Brandenburgischen Gesundheitsdienstgesetz "sollen" die Landkreise auf ein bestimmtes, der Gesundheit förderliches Verhalten "hinwirken". Die Gesundheitsämter stehen also gesetzlich in der Pflicht und werden bemüht sein, sich nicht dem Vorwurf der Tatenlosigkeit auszusetzen.
Eine Pflicht für Eltern, das Beratungsangebot der Gesundheitsämter - mehr ist es ja nicht - anzunehmen, geht aus dem Brandenburgischen Gesundheitsdienstgesetz nicht hervor!
Auch aus dem im Brandenburgischen Gesundheitsdienstgesetz erwähnten Jugendarbeitsschutzgesetz (§ 32) geht keine Pflicht hervor, Angebote des Gesundheitsamtes anzunehmen. Hier heißt es nur, dass ein zu beschäftigender Jugendlicher seinem Arbeitgeber das Gesundheitsattest eines Arztes - in der Regel also der Arzt seines Vertrauens - vorzulegen hat.
Im Schulschreiben heißt es ja auch eindeutig: "Die Angaben sind freiwillig."
Der Behörde kann man im Grunde keinen Vorwurf machen, dass sie ihre Aufgabe, so wie sie vom Gesetzgeber und der Politik definiert ist, so gut es geht erfüllt. Im Grunde reicht ein höfliches Anschreiben, das Sie Ihrem Kind in einem verschlossenen Umschlag mitgeben, in dem Sie darauf hinweisen, dass Ihr Kind bereits von einem Arzt Ihres Vertrauens betreut wird und Sie das Angebot des Gesundheitsamtes dankend ablehnen. Weitere Begründungen und Rechtfertigungen sind überflüssig.
Wenn Sie die Sache nicht ganz auf sich beruhen lassen wollen, können Sie natürlich den Leiter des Gesundheitsamtes ansprechen und ihm mitteilen, was Sie vom Vorgehen seines Amtes halten - z. B. wenn ein eindeutige Hinweis fehlt, dass es sich nur um ein - unverbindliches - Angebot der Behörde handelt.
Interessant könnte natürlich sein, welche Daten das Gesundheitsamt über Sie und Ihre Familie speichert. Hier haben Sie Einblick und Sie können, wenn hier eine unangemessene Datensammlung stattfindet, dagegen protestieren.
---> Alle Angaben ohne Gewähr. Bitte ziehen Sie im Zweifelsfalle einen qualifizierten Juristen zu Rate.