Masernvirusprozess: Worüber wirklich entschieden wurde

Abb.(ht) Seit Tagen werde ich von wohlmeinenden Personen und Facebook-Freunden auf den neuesten Newsletter von Dr. rer. nat. Stefan Lanka hingewiesen, in dem er den endgültigen Sieg im sogenannten Masernvirusprozess proklamiert. Der Bundesgerichtshof (BGH), so der Tenor dieser Weiterleitungen, habe darüber entschieden, dass es keine Beweise für die Existenz des Masernvirus gebe. Das sei eine Sensation und jetzt gehe des den Viruserfindern an den Kragen. Leider haben die Wenigsten diesen Newsletter sorgfältig gelesen oder sich die Mühe gemacht, die Quellen zu überprüfen. Ja, der BGH hat vermutlich entschieden. Doch worüber genau?

In seinem Newsletter gibt Lanka bekannt, dass er den sogenannte Masernvirusprozess endgültig gewonnen habe. Der Bundesgerichtshof (BGH) habe das Urteil des OLG Stuttgart vom Februar 2016 bestätigt. Dr. med. David Bardens, der Kläger, hatte beim BGH Revisionsbeschwerde gegen das OLG-Urteil eingelegt, und diese sei nun abgewiesen worden. [Nachtrag: Das privat hochgeladene BGH-Urteil]

Das Erste, was mich beim Lesen von Lankas Newsletter irritiert, ist das Fehlen von Originalquellen. Der BGH-Bescheid ist nämlich bis heute (Montag, 23. Jan.) nicht online verfügbar und ein PDF mit dem Originalschreiben des BGH und dem genauen Wortlaut der Begründung stellt Lanka leider auch nicht zur Verfügung. Das ist eigentlich nicht die Vorgehensweise eines echten Wissenschaftlers.

Wie offenbar auch viele andere Impfkritiker erhielt ich den Newsletter bzw. den Verweis auf ihn in den letzten Tagen mehrmals aus verschiedensten Richtungen. Der BGH habe entschieden, dass es keine Beweise für die Existenz des Masernvirus gäbe, so der Tenor.

Ich muss alle meine Leser herzlich bitten, vorsichtig mit der Weiterleitung von solchen Sensationsmeldungen zu sein, selbst wenn sie von prominenten Kritikern der Mainstream-Medizin stammen.

Es gibt zwei ganz wichtige Fragen, die bei der Beurteilung einer jeglichen Meldung zu stellen sind:

  1. Sind alle Behauptungen mit Quellen belegt?
  2. Kann der Autor zwischen Tatsachenbehauptung und Meinung unterscheiden?

Wenn keine Originalquelle angegeben ist, irritiert mich das. Wenn ich mich beim Lesen einer Meldung mehrmals frage, ob das jetzt eine Tatsachenbehauptung war (die ich ggf. anhand von angegebenen Quellen überprüfen kann) oder ob der Autor nur seine ganz persönliche Meinung und Interpretation von sich gibt, dann ist dies in der Regel keine Meldung, die ich an Dritte weiterleite!

Richtig ist, dass Stefan Lanka den Prozess in erster Instanz verloren und in zweiter Instanz gewonnen hat. Vermutlich ist es auch richtig, dass der BGH die Revision nicht zugelassen hat, so dass das Urteil des OLG Stuttgart nun rechtskräftig ist. Eine Originalquelle dazu liegt mir bislang jedoch nicht vor.

Doch worüber wurde entschieden? Darüber, dass es das Masernvirus gibt? Oder darüber, dass es keine Beweise für seine Existenz gibt?

Mitnichten. Das Gericht entschied nicht mehr und nicht weniger, dass die von Dr. Bardens vorgelegten sechs wissenschaftlichen Publikationen keinesfalls die Auslobungsbedingungen Lankas erfüllten - denn der hatte die Vorlage "einer" wissenschaftlichen Publikation mit einer vollständigen Beweisführung gefordert.

Lanka habe das Recht, die Bedingungen seiner Auslobung selbst zu definieren, so das OlG. Und die Bedingung, "eine" Publikation vorzulegen, sei nun mal nicht erfüllt. Damit hat sich das OLG recht klug aus der Affäre gezogen. Was wissenschaftliche Wahrheit sei, so der vorsitzende Richter während der Verkündung, könne nicht per Gerichtsbeschluss entschieden werden.

Abb.Alles, was das Urteil an Ergebnis bringt, ist allenfalls die Feststellung, dass es "die eine" Publikation mit einer vollständigen Beweisführung für die Existenz eines spezifischen krankmachenden Masernvirus nicht gibt.

Doch das wird die überwältigende Mehrheit der Impfexperten und Virologen kaum erschüttern. Denn, wie Prof. Dr. Dr. Harald Walach in seiner öffentlichen Stellungnahme zum Masernvirusprozess sehr richtig feststellt: Wissenschaft ist ein Konsensprozess. Sobald sich eine Ansicht bei der Mehrheit der beteiligten Wissenschaftler und Institute durchsetzt und in den Lehrbüchern steht, gilt dies fortan als unumstößliche Wahrheit.

Wenn wir also davon ausgehen, dass die Masern durch ein von außen in unsere Kinder eindringendes aggressives Virus verursacht werden, dann bedeutet dies nicht automatisch, dass es auch wahr ist. Es bedeutet, dass sich die einflußreichsten Forscher und Institutionen einig waren. Nicht mehr und nicht weniger.

Dass Wissenschaft zumindest in der Infektions- und Impfmedizin vor allem auf Konsens beruht, ist nach vielen Jahren Kommunikation mit den zuständigen Bundesbehörden auch meine Erkenntnis. Fragt man nur lange genug und präzise genug nach, landet man in der Regel bei der letzten Aussage: "Es steht in den Lehrbüchern, also ist es wahr." (Beispiel Antikörpertiter)

Natürlich muss die Frage nach dem Masernvirus neu gestellt und die historische Beweisführung mit modernen Methoden überprüft werden. Und das nicht nur beim Masernvirus, sondern bei allen sogenannten Infektionskrankheiten. Denn das Fehlen von Kontrollversuchen, das Stefan Lanka als auch Harald Walach richtigerweise reklamieren, zieht sich durch die gesamte Forschungsgeschichte.

Nochmals: Das Gerichtsurteil sagt allenfalls aus, dass es "die eine" Publikation offenbar nicht gibt. Es sagt nichts (!) über die Existenz oder Nichtexistenz des Virus aus. Es bleibt dem geneigten Leser also nicht erspart, sich eine eigene Meinung zu diesem Thema zu bilden, bevor er solche Meldungen an Freunde, Ärzte oder Behörden weiterleitet.

Abb.Wer es wirklich genauer wissen will, worum es in den sechs von David Bardens vorgelegten Publikationen ging und wie sie zu bewerten sind, dem empfehle ich die impf-report Ausgabe Nr. 110 vom April 2016 ("Gibt es das Masernvirus? - Versuch einer wissenschaftlichen Annäherung") oder mein neuestes Buch "Die Masern-Lüge", das vor wenigen Wochen im Kopp-Verlag erschienen ist.

Nachtrag am 25. Jan. 2017:

Das OLG Stuttgart geht laut mündlicher Urteilsverkündung und schriftlicher Begründung davon aus, dass es ein Masernvirus gibt. Auch wenn die Gutachten, die Stefan Lanka im Rahmen des Berufungsverfahrens dem OLG vorgelegt hat, in der Urteilsbegründung keine Rolle spielten, so halte ich es doch für sehr wahrscheinlich, dass sie den Ausschlag für das Urteil gegeben haben, das eben keine Entscheidung in der Existenzfrage fällt. Eine Berücksichtigung der Gutachten hätte einen Gutachterkrieg vor Gericht zur Folge gehabt - und das ist etwas, was unsere Richter für gewöhnlich meiden wie der Teufel das Weihwasser, denn schließlich gibt es in unserer Gesellschaft keine wirklich unabhängige Richterschaft (dazu müssten die Richter vom Volk gewählt statt von der Politik berufen werden). Mit einem Gutachterkrieg und der daraus entstehenden Öffentlichkeit hätte der Richter für seine Karriere sicherlich keine Pluspunkte gesammelt. Hätten diese Gutachten, die ich seinerzeit alle einsehen durfte, dem OLG Stuttgart nicht vorgelegen, wäre vermutlich das Urteil des LG Ravensburg bestätigt worden.

 

 



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