Gläserne Mailinglisten: Angriff auf die Privatsphäre im Internet

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Sogenannte Mailinglisten sind im Internet gern und häufig genutzte Kommunikationsplattformen. Insbesondere über geschlossene Mailinglisten werden häufig persönliche und intime Daten preisgegeben, da man allgemein davon ausgeht, dass die Privatsphäre geschützt ist. Doch nicht jeder Internetnutzer ist wohlmeinend und die Gerichtsbarkeit in Deutschland hat die Brisanz dieses rechtlichen Graubereichs ganz offensichtlich noch nicht erkannt. Noch nie war das Ausspionieren und die öffentliche Bloßstellung anderer Menschen so einfach wie im Internet-Zeitalter.

Ein Bericht von Hans U. P. Tolzin

Der "gläserne Mensch" ist heute schon Wirklichkeit

Wer seinen eigenen Namen im Internet googelt, wird in der Regel etliche Details über ihn und aus seinem Privatleben vorfinden, die er niemals freiwillig und bewusst für die Veröffentlichung freigegeben hätte. Für Manchen ist der "gläserne Mensch" deshalb keine Theorie mehr. Die Daten, die im Internet über uns gespeichert und verbreitet werden, wachsen täglich, und gleichzeitig wächst auch das Bewusstsein um einen verantwortungsbewussten und achtsamen Umgang mit den Daten Anderer.

Viele Benutzer des Internets, vor allem solche, die sich im vielfältigen Angebot der Webseiten und deren Kommunikations-Plattformen nicht zurechtfinden, bevorzugen sogenannte Mailinglisten (bzw. Verteilerlisten) für den Austausch mit anderen. Das ist im Grunde nichts weiter als eine zentrale Email-Adresse, über die ein Verteiler angesteuert wird, der aus einigen wenigen oder auch Hunderten von Empfängern bestehen kann.

Der Vorteil solcher Listen ist, dass man nicht sämtliche Empfänger, mit denen man sich zu einem speziellen Thema regelmäßig austauschen will, mit dem Email-Programm seines PCs verwalten und jedes mal einzeln in die Adresszeile eintragen muss. Statt dessen trägt man nur die zentrale Emailadresse der Verteilerliste ein und diese leitet die Email automatisch an sämtliche Listenmitglieder weiter.

Neben offenen Mailinglisten, die man z. B. über die Webseiten von Anbietern wie Domeus, Yahoo oder Google findet, und denen jeder beitreten kann, gibt es auch geschlossene Listen, in die man nur auf Einladung der Listenmoderatoren oder eines Listenmitglieds aufgenommen werden kann.

Zur den in Mailinglisten üblichen Höflichkeitsregeln, auch "Netiquette " genannt, gehört es z. B., den Absender einer Email um Erlaubnis zu fragen, bevor man sie an Dritte weiterleitet. Diese Regel gilt insbesondere für geschlossene Mailinglisten, da man normalerweise davon ausgehen kann, dass der Rest der Welt nicht mitliest und man durchaus einmal etwas persönliches von sich preisgeben kann. Insbesondere in der Öffentlichkeit stehende Berufsgruppen wie Ärzte oder Juristen, gehen von einem vertraulichen und vertrauenswürdigen Umgang mit ihren Emails in ihren Mailinglisten aus und benötigen diesen auch, um in einem geschützten Rahmen ungeniert Meinungen äußern zu können.

Es kann jeden treffen!

Um so fataler, wenn auch nur ein einziges Mitglied der Mailingliste dieses in ihn gesetzte Vertrauen nicht verdient oder bewusst missbraucht.

So geschehen in einer geschlossenen Mailingliste von Ärzten und Apothekern, die sich dort recht offen über Pro und Kontra von Impfungen austauschten. Wie bereits berichtet, befinde ich mich derzeit mit einem szenenbekannten Impffanatiker aus Bremerhaven in einer gerichtlichen Auseinandersetzung, nachdem dieser sich unter falschen Angaben in diese Mailingliste eingeschlichen und eine ganze Reihe von Schriftwechseln und komplette Emails - unter anderem von mir - auf seine Webseiten gesetzt hatte.

In erster Instanz hatte das Landgericht Stuttgart den Beklagten dazu verurteilt, die Email von seinen Webseiten zu löschen. Die Richter ordneten die Email meiner Privatsphäre zu. Das Argument des Beklagten, beim Kläger handle es sich um einen Journalisten, der sich zu kontroversen medizinischen Themen  bereits in der Öffentlichkeit bewege und deshalb mit der Veröffentlichung auch persönlicher Emails, die nicht für die breite Öffentlichkeit gedacht waren, leben müsse, ließ das Gericht nicht gelten. Auch die absurde Behauptung, die Mitglieder der Liste hätten sich gegen die Gesundheit von Kindern verschworen, indem sie die Diskussion über bestimmte medizinische Minderheitenmeinungen zuließen, überzeugte das Gericht nicht. (siehe AZ 17 O 341/09)

Gegen das Urteil legte der Beklagte Berufung ein. Ein finanzielles Risiko geht er damit nicht ein, denn als Empfänger von Sozialleistungen wird ihm Prozesskostenbeihilfe gewährt. Die Verhandlung in zweiter Instanz ist am kommenden Mittwoch, den 27. Oktober 2010 beim Oberlandesgericht Stuttgart um 14:00 Uhr.

Völlig überraschend ließ der vorsitzende Richter heute (Montag, den 25. Oktober) meinem Anwalt gegenüber durchblicken, man werde sich voraussichtlich gegen die Klage entscheiden und lege mir deshalb nahe, sie zurückzuziehen. Auch eine Revision werde man möglicherweise nicht zulassen. Offenbar sind die Richter nicht davon überzeugt, dass es sich bei diesem Verfahren um eine Angelegenheit von grundsätzlicher Bedeutung handelt.

Da bin ich jedoch anderer Ansicht. Natürlich bin ich als Betroffener mehr als verärgert über die Dreistigkeit des selbsternannten Medizin-Inquisitors. Doch es geht hier nicht nur um mich, sondern vielmehr grundsätzlich um den Schutz von persönlichen Informationen, die in Mailinglisten und anderen geschlossenen Kommunikationsplattformen im Internet ausgetauscht werden. Das heißt, was mir passiert ist, kann letztlich jeden treffen!

Juristische Grauzone

Wenn ich meinem Anwalt glauben kann, ist die Frage, welchen Schutz geschlossene Mailinglisten und die darüber versendeten Inhalte genießen, bisher juristische Grauzone. Ich persönlich war bisher der Meinung, dass laut Urheberrecht ein Text, den ich auf meiner Webseite veröffentliche, nur begrenzt und entsprechend den anerkannten Zitatregeln auf anderen Webseiten übernommen werden darf. Damit schien mir die Publikation einer ganzen, an eine geschlossene Mailingliste gerichtete Email - mitsamt dem Header und der Signatur - eine eindeutige Verletzung des Urheberrechts zu sein. Zudem rechnete ich eine geschlossene Mailingliste der Privatsphäre zu.

Doch diese Sicht wird offensichtlich nicht von jedem Richter geteilt. Und solange den Richtern die grundsätzliche Bedeutung des Urteils nicht vermittelt werden kann, ist zu befürchten, dass sie den Weg des geringsten Widerstands gehen, um das Verfahren zu den Akten legen zu können.

Ich wäre nicht nur zur eigenen Selbstverteidigung, zur Verteidigung aller gegen dreiste Internet-Stalker bereit, in diesem Verfahren bis vor den Bundesgerichtshof zu ziehen, um eine grundsätzliche Klärung der Frage, ob Mailinglisten der Privatsphäre zuzurechnen sind, herbeizuführen.

Drei Möglichkeiten der Unterstützung

Dazu benötige ich jedoch Ihre Hilfe.

1. Ich bin gegenwärtig leider nicht in der Lage das Verfahren bis in die letzte Instanz zu finanzieren und bitte deshalb um Ihre finanzielle Unterstützung:

Diese können Sie auf dieses Konto überweisen.

Ihre Spende wandert bei diesem Stichwort in einen speziellen Fonds, der nur für dieses Verfahren verwendet wird. Auf der Webseite www.agbug.de werden die Spendeneingänge und ihre Verwendung regelmäßig veröffentlicht, so dass Sie sehen, wie Ihr Geld verwendet wird. Bei Spenden ab 50 Euro können Sie auf Anfrage eine Spendenquittung erhalten.

Insgesamt beträgt das finanzielle Risiko, das ich eingehe, um die 6.000 Euro. Das ist nicht nur für mich viel Geld, sondern auch für viele von Ihnen, weshalb ich auf viele kleine Spenden von vielen Menschen hoffe, denen der Schutz ihrer Privatsphäre im Internet ein Anliegen ist.

2. Eine weitere Möglichkeit der Unterstützung ist natürlich die Weiterleitung dieser Meldung an alle Freunde und Bekannte, die das Thema interessieren könnte.

Und drittens wäre es wichtig, den Gerichten einen Eindruck zu vermitteln, dass es hier um ein Anliegen geht, das nicht nur einen Einzelnen betrifft, sondern letztlich Millionen von Menschen in Deutschland.

3. Wenn Sie die Möglichkeit dazu haben, richten Sie bitte auf Ihrer Webseite oder in Ihrem sozialen Netzwerk elektronische Unterschriftenlisten ein, an denen sich jeder, der das möchte, beteiligen kann. Ich werde an dieser Stelle sofort berichten, sobald eine entsprechende Beteiligung möglich ist.

 

Frühere Meldungen zu diesem Thema:

19. Mai 2010

16. Juni 2010 

schrieb am 26.10.2010 um 14:56:14

Lieber Herr Tolzin,
Lassen Sie sich nicht Kleinkriegen! Viel Mut, Kraft und Ausdauer sende ich Ihnen. Behalten Sie Ihren Sonnenschein im Herzen. Hochachtung vor der enormen Arbeit, die Sie für uns alle bewerkstelligen.
Ich sende Ihnen einen finanziellen Beitrag aus der Schweiz, wie wir es bisher immer gehalten haben.
Mit freundlichen Grüssen B. Müther

schrieb am 26.10.2010 um 13:39:06

Lieber Herr Tolzin,
ich wünsche Ihnen allen erdenklichen Erfolg. Der Gang vor den Richter kann einen ganz schön zermürben. Kopf hoch und viel Kraft!!!
... und Danke für Ihre Arbeit!!
Janko von Ribbeck

schrieb am 26.10.2010 um 11:10:41

Viel Schutz und Segen für Sie, lieber Herr Tolzin,
und danke für Ihre wertvolle Arbeit!
Habe einen kleinen Betrag gespendet und bin guter Dinge, dass Ihnen reichlich weitere Unterstützung zufliessen wird! LG, A.P.

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