"Ärzte sind die Berufsgruppe mit dem geringsten Selbstbewußtsein"
In Anlehnung an den Widerstand gegen Stutt- gart 21 präsentiert Renate Hartwig ihr eigenes Logo gegen die neuesten "Gesundheitsreform" |
Vor etwa 100 Zuhörern in Schwäbisch Hall rechnete die bekannte Autorin und Bürgerrechtlerin Renate Hartwig mit den neuesten Auswüchsen des deutschen Gesundheitssystems ab
(Schwäbisch Hall) Bei einem Vortrag in der Hospitalkirche am Abend des 10. November 2010 ging die bekannte Autorin Renate Hartwig ("Der verkaufte Patient", "Krank in Deutschland") mit dem derzeitigen Gesundheitssystem hart ins Gericht. Der Patient von heute werde ausverkauft, die gewinnorientierte Privatwirtschaft übernehme Stück für Stück die Krankenhäuser.
Das Problem sei unter anderem, dass der Gewinn der Aktieninhaber der großen Krankenhauskonzerne umso größer sei, je mehr am Patient gespart werde. Die (angestellten) Ärzte würden am Gewinn beteiligt. Dies aber habe einen eklatanten Vertrauensbruch zwischen Arzt und Patient zur Folge.
Zudem würden sich die Krankenkassen zunehmend weigern, die Kosten für bestimmte Maßnahmen zu übernehmen, die nicht in ein bestimmtes Raster passten. Manche Patienten könnten ihr Recht zum Teil nur durch jahrelange juristische Auseinandersetzungen erstreiten.
Eindringlich warnte Hartwig davor, dass demnächst US-amerikanische Zustände, wie sie der Dokumentarfilm "Sicko" offenlege, auch bei uns Wirklichkeit würden, wenn niemand etwas dagegen unternehme.
Normale Hausärzte würden schon jetzt immer weniger verdienen und man müsse davon wegkommen, den Hausarzt als Großverdiener anzusehen. Im Gegenteil, die Ärzte seien die Berufsgruppe mit dem geringsten Selbstbewußtsein und ließen sich weitaus mehr gefallen als andere Berufsgruppen.
Empört zeigte sich Hartwig auch darüber, dass für die "sprechende Medizin" kein Geld vorhanden sei. Damit ist die Zeit des Arztes gemeint, die er im Gespräch mit dem Patienten verbringt. Es bleibe ihm allein schin aus finanziellen Gründen gar nichts anderes übrig, so Hartwig, als die Patienten fließbandartig abzufertigen.
Der derzeitige Gesundheitsminister Rößler (FDP) sei in ihren Augen nicht mehr als ein Lobbyist und eine Marionette der Gesundheitsindustrie und man solle sich bei den nächsten Wahlen sehr gut überlegen, wen man wähle.
Das einzige Mittel, das Ruder noch herumzureißen, bevor der Patient in Deutschland nur noch ein Markt sei, um den sich große Kapitalgesellschaften streiten, sei ziviler Ungehorsam.
Hartwig, die bereits über 20.000 Menschen zu einer Großveranstaltung im Münchner Olympiastadion mobilisiert hatte, rief deshalb dazu auf, sich zu informieren und sich im "Bürgertreff Schwäbisch Hall", einer von mittlerweile mehreren hundert Bürgerinitiativen in Deutschland, zu engagieren. - von Hans U. P. Tolzin
Weitere Informationen: http://www.patient-informiert-sich.de