Das Ausspionieren von Impfkritikern im Internet
(ir) In seinem Urteil vom 6. Mai 2010 (AZ 17 O 341/09) entschied das Landgericht Stuttgart, dass der von mir verklagte Aribert D. aus Bremerhaven eine von mir (in einer nicht öffentlichen Mailingliste geschriebenen) Email nicht auf seinen Internet-Pranger-Webseiten veröffentlichen darf. Der Beklagte, der seit Jahren systematisch private Daten von Impfkritikern im Internet ausspioniert, um sie dann auf seinen Webseiten bloßzustellen, hatte sich unter falschen Angaben in diese Mailingliste, in der sich vorwiegend Ärzte zum Impfthema austauschten, eingeschlichen.
Der Beklagte ging in Berufung. Die Berufungsverhandlung war auf Mittwoch, den 27. Oktober 2010 festgesetzt. Am Montag, den 25. Oktober (also nur zwei Tage vor der Verhandlung!) meldete sich der vorsitzende Richter überraschend bei meinem Rechtsanwalt und teilte ihm mit, es sei mir dringend anzuraten, die Klage zurückzuzuiehen, da sie keine Aussicht habe. Für eine sinnvolle Reaktion blieb zur Verhandlung keinerlei Zeit mehr. Z. B. konnten wir nachweisen, dass sämtliche Teilnehmer der Mailingliste von einem hohen Vertraulichkeitsgrad ausgegangen waren, auch wenn die (von Internet-Laien aufgesetzten) Zugangsregelungen nicht ausdrücklich von jedem neuen Listenmitglied eine Bestätigung dieser Vertraulichkeit verlangt hatten.
Wie fast zu erwarten war, verlief die Verhandlung sehr einseitig: Der vorsitzende Richter ließ keine Einwände gelten und hatte es sichtbar eilig, das von ihm offenbar bereits im Vorfeld gefaßte Urteil durchzusetzen. Das Ergebnis: Das Urteil des Landgerichts wurde aufgehoben und der Berufung des Beklagten statt gegeben (AZ 4 U 96/10)
Doch der Richter setzte noch eins drauf: Obwohl den meisten Menschen, die sich im Internet bewegen, die Bedeutung des Persönlichkeitsschutzes von Emails und geschlossenen Mailinglisten einleuchtet und es sich somit um ein grundsätzlich zu regelndes rechtliches Problem handelt, ließ er keine Berufung seiner Entscheidung zu.
Ich habe nicht vor, dies hinzunehmen und habe deshalb eine Anhörungsrüge und eine Nichtzulassungsbeschwerde bei Bundesgerichtshof eingeleitet.
Meine Anhörungsrüge wurde zwischenzeitlich vom OLG zurückgewiesen.
Für die aktuellen rechtlichen Schritte fallen Kosten in Höhe von ca. 2.000 Kosten an. Diese kann ich im Moment nicht selbst aufbringen. Wenn auch Ihnen daran gelegen ist, dass die Privatsphäre des Bürgers im Internet geschützt wird und Sie der Ansicht sind, dass nichtöffentliche Mailinglisten diesen Schutz genießen, dann können Sie dieses Anliegen finanziell durch eine Spende für den Rechtsfonds des gemeinnützigen Vereins AGBUG e.V. unterstützen:
AGBUG e.V.
Stichwort "Mailingliste"
Für Ihre Unterstützung bedanke ich mich im voraus. Ihr Hans U. P. Tolzin
Frühere Meldungen zu diesem Thema:
Stuttgarter Landgericht verweist mutmaßlichen Internet-Stalker in seine Grenzen
Keine Persönlichkeitsrechte zweiter Klasse für impfkritische Bürger!
Gläserne Mailinglisten: Angriff auf die Privatsphäre im Internet
Urteil des OLG Stuttgart vom 10. Nov. 2010